KOBLENZ. -war- Wer radelt da so spät durch Nacht und Wind? In der Fußgängerzone Löhrstraße/Markt᠆straße werden es weiterhin nur „Schwarzfahrer“ sein. Denn der Antrag der kleinen Fraktionen auf Öffnung für Radfahrer im Schritttempo von 22 bis 9 Uhr wurde vom Stadtrat in der letzten Sitzung Anfang März abgelehnt.

Die grüne Ratsfrau Andrea Mehlbreuer ist schwer enttäuscht: „Die Öffnung der Fußgängerzone war ein Bürgerwunsch“, betont sie gegenüber dem Schängel. „Und hier ging es ja erst mal nur um eine einjährige Testphase, mit sofortiger Widerrufsmöglichkeit. Eine Maßnahme also, die – außer der Herstellung von Schildern – nichts gekostet hätte.“
Die Grünen, FBG, FDP und das Ratsmitglied Sabine Veith (Linke) hatten den Antrag gestellt, nachdem bei der sehr komplexen Bürgerbefragung des Amts für Stadtentwicklung und Bauordnung im Vorjahr genau diese Maßnahme auf Platz 5 gewählt wurde unter 100 Vorschlägen. Der Antrag wurde auf verschiedenen Ebenen beraten, im Haupt- und Finanzausschuss Anfang Februar dann mit 9:8 Stimmen abgelehnt. Aber: Dabei fehlte ein Mitglied. Für den Antrag stimmten auch SPD und der Oberbürgermeister. „Uns war klar, dass es im Stadtrat knapp wird, aber wir haben auf ein zukunftsweisende Entscheidung gehofft“, so Mehlbreuer.
In der Stadtratssitzung lehnte neben CDU und BIZ dann aber auch die SPD den Testversuch ab. Laut Ratsfrau Marion Lipinski-Naumann hatte sich zuvor eine neue Diskussion ergeben. Konkret: „Die gradlinige Streckenführung der Löhr-/Marktstraße verleitet zum Schnellfahren. Die SPD-Fraktion sah das Gefährdungspotenzial für die Fußgänger als höherrangig an.“ Die Fraktionsvorsitzende betont gegenüber dem Schängel, dass es sich dabei ausdrücklich nicht um eine Entscheidung gegen die Radfahrer, sondern um eine Entscheidung für die Fußgänger handele.
Gut und schön: Aber welche Fußgänger(-scharen) sind zwischen 22 und 9 Uhr in der Löhr-/Marktstraße unterwegs? Warum war man nicht mal für den Testversuch bereit, zumal das Befahren zu später Stunde eigentlich schon „gelebte Wirklichkeit“ ist? Und andere, abends viel stärker frequentierte Bereiche, wie der Jesuitenplatz und die Rheinstraße, sogar ganztags für Radfahrer frei sind!
Nach Schängel-Recherche haben viele deutsche Städte ihre Fußgängerzonen nachts für Radler geöffnet. Beispiel Köln: Hier ist die Hohe Straße werktäglich von 20 bis 11 Uhr, sonn- und feiertags ganztägig geöffnet. In München ist der Bereich Marienplatz bis Stachus von 21 bis 9 Uhr radfrei. Wer die Örtlichkeiten nicht kennt: In beiden Städten sind auch nach Geschäftsschluss Passanten (und vor allem Touristen) unterwegs. Und es handelt sich jeweils um gradlinige Streckenführungen – wie in Koblenz.
Mehlbreuer ergänzt: „Wir haben in den Diskussionen immer auf die vom ADFC in Nordrhein-Westfalen vorgenommene Befragung hingewiesen, wonach es dort in 13 Städten mit einer entsprechenden Lösung zu keinerlei Konflikten zwischen Passanten und Radlern kam.“
Dass insbesondere CDU und SPD im Koblenzer Stadtrat den Testversuch ablehnen, die „unabhängigen“ OB-Kandidaten aus ihren Reihen aber mit Radverkehrsförderung als Wahlkampfthema ins Rennen schicken, verwundert. Zukunft wird aus Mut gemacht – dieser scheint den Verantwortlichen zu fehlen. Jo Schaefer vom ADFC-Kreisverband Koblenz: „Ich habe das Gefühlt, dass es den Parteien wichtiger ist, Themenfelder zu besetzen und eine Presseinformation zu verfassen, als tatsächlich etwas umzusetzen.“

Für den Experten ist die Öffnung der Fußgängerzone nicht die wichtigste Radförderungsmaßnahme, aber eine, die er im Rat „ohne wenn und aber“ unterstützt hätte. Schaefer wie Mehlbreuer fragen: Wie will die Stadt Koblenz ihr selbstgestecktes und vom Stadtrat mitgetragenes Ziel erfüllen, den Radverkehrsanteil von 8 % auf 16 % im Jahr 2020 zu steigern, wenn schon solche Testversuche im Stadtrat abgelehnt werden?